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Vorderladerkanonenschießen in Beelitz

Maz

Märkische Allgemeine | Ihre Zeitung aus Brandenburg

Beelitz

Scheibenschießen mit Kanonen: Vorderlader aus Preußen siegt

Die Großkaliberschützen aus Ragösen bei Bad Belzig siegten mit 36 Ringen: Stefan Lukas, Steffen Lukas, Jörg Ueberall, Ulrich Meyer, Enrico Nickel und Enrico Miethbauer (v.l.)

Die Großkaliberschützen aus Ragösen bei Bad Belzig siegten mit 36 Ringen: Stefan Lukas, Steffen Lukas, Jörg Ueberall, Ulrich Meyer, Enrico Nickel und Enrico Miethbauer (v.l.) Quelle: Jens Steglich

13:19  11.06.2018

 

Beim 19. Beelitzer Vorderlader-Kanonenschießen ging es heiß her: Krachen ließen es 20 Artilleriemannschaften aus der ganzen Republik und ein Schotte. Die Hitzeschlacht gewannen die Preußen aus Ragösen.

 

Die 19. Beelitzer Meisterschaften im Vorderlader-Kanonenschießen gehen in die Geschichte ein – als die heißesten seit Beginn des Spektakels im Jahr 1996. Die Hitzeschlacht auf dem Truppenübungsplatz Lehnin wurde für Träger historischer Uniformen zum Härtetest. 20 Artilleriemannschaften aus sieben Bundesländern waren angereist, um zunächst auf der Festwiese an der Nieplitz ihr Lager aufzuschlagen und es Freitagabend beim Böllerschießen in der Spargelstadt krachen zu lassen. Samstag wurde dann auf dem Truppenübungsplatz scharf geschossen – mit Kanonenkugeln auf 100 Meter entfernte Scheiben.

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Mit Kanonen und Mörsern schossen 20 Artillerie-Mannschaften beim 19. Beelitzer Vorderlader-Kanonenschießen auf ihre Ziele. Sieger: Die Preußen aus Ragösen.

Wäre das Kanonenschießen ein 100-Meter-Lauf, würde man sagen: Am Ende musste das Zielfoto entscheiden, lagen Millimeter zwischen Sieg und Niederlage. Die Großkaliberschützen aus Ragösen, einem Ortsteil von Bad Belzig, trafen 36 von 50 möglichen Ringen – genauso wie die Freien Kanoniere aus Beelitz mit ihrer Kanone „Phoeni“, einem Nachbau aus dem amerikanischen Bürgerkrieg. Die Ragösener hatten als besten Wert aber eine Neun, die Freien Kanoniere eine Acht. Das gab den Ausschlag. So ging der große Pokal erstmals an die Kanoniere aus Ragösen, die als Preußen von 1813 antraten und auch den amtierenden Europameister schlugen – die Piraten um Frontmann Achim Müller von den Waffengefährten Geltow.

 

Willi Dahmen aus Jülich (Nordrhein-Westfalen) putzt das Kanonenrohr

Willi Dahmen aus Jülich (Nordrhein-Westfalen) putzt das Kanonenrohr. Quelle: Jens Steglich

 

Vielleicht lag es ja auch daran, dass der Chef der Großkaliberschützen – Vereinsvorsitzender Jörg Ueberall – wegen der wüstenähnlichen Bedingungen für seine Leute den Sommerbefehl ausgegeben hatte. „Wir haben deshalb nur die Hälfte der Uniform an.“ Die Sieger-Kanone ist ein Nachbau eines Geschützes, dass die Preußen in der Völkerschlacht bei Leipzig gegen Napoleon einsetzten. Nachgebaut hat das Geschütz „Büchsenmacher Otto“ alias Steffen Lukas.

Zweiter Platz

Zweiter Platz: Werner Höfchen und Detlef Komm (r.), die Freien Kanoniere aus Beelitz, schossen nur haarscharf am Sieg vorbei. Quelle: Jens Steglich

 

Auf dem Gefechtsfeld ging es laut, aber friedlich zu. Frühere Erzfeinde wie Preußen und Sachsen tranken danach im Feldlager gemeinsam die Pakete an Kümmerlingen aus, die die Ragösener als Sieger ausgeben mussten. Bei den zweitplatzierten Freien Kanonieren aus Beelitz sind sogar ehemalige Todfeinde in einem Team vereint: Werner Höfchen als Sergeant der amerikanischen Nordstaaten-Armee und Detlef Komm in Südstaaten-Uniform gewannen die Beelitzer Stadtmeisterschaften gegen die stadtinternen Rivalen Bernd Marien und den Beelitzer Carneval Club (BCC).

Der Schotte David Redfern (l) und Kanonier Stefan mit ihrem Mörsergeschütz

Der Schotte David Redfern (l.) und Kanonier Stefan mit ihrem Mörsergeschütz. Sie traten für die Schützengilde Peitz 1673 e.V. an. Quelle: Jens Steglich

 

Unter den Kanonieren der 19. Auflage des Spektakels war auch ein Schotte. David Redfern, der als Archäologe 1994 nach Deutschland kam, seinen ersten Wohnsitz aber immer noch in Großbritannien hat, trat für die Schützengilde Peitz an – in einem Dreier-Team mit einem Mörser-Geschütz. Für den Schotten, der stolz auf sein Land Großbritannien ist, war es die erste Begegnung mit einem Mörser. Er ist sonst bei den preußischen Artilleriebrigaden dabei, die in Großbeeren die Befreiungskriege gegen Napoleon nachspielen. Das Abfeuern eines Mörsergeschützes „macht total Spaß, aber es ist ein bisschen Glücksache“, sagte Redfern. Getroffen haben sie nichts. „Man muss beim Mörser eben viel beachten: die Flugkurve, das Kugelgewicht, die Pulverladung und den Wind.“ Der Mörser der Peitzer feuerte 7,5 Kilo schwere Kugeln ab – die gleichen Dinger werfen Kugelstoßer bei Olympischen Spielen 20 bis 22 Meter weit.

Die Piraten von den Waffengefährten Geltow feuern eine Kugel ab

Die Piraten von den Waffengefährten Geltow feuern eine Kugel ab. Die amtierenden Europameister gingen diesmal beim Beelitzer Vorderlader-Kanonenschießen leer aus.Quelle: Jens Steglich

 

Das Mörser-Geschütz haben die Peitzer von Familie Menke gestiftet bekommen. Renko Menke ist mit seinem Kollegen Gerhard Jannsen von der Reservistenkameradschaft Emden Stammgast in Beelitz. Mit 81 und 80 Jahren sind sie die ältesten in der Runde und hatten mit ihrem Nachbau eines russischen Schiffsmörsers auch das zuschauerfreundlichste Geschütz dabei: Die Flugbahn der im hohen Bogen abgefeuerten Kugeln konnte man mit dem bloßen Auge verfolgen.

Von Jens Steglich